A. Hafner: Schnidejoch und Lötschenpass

Cover
Titel
Schnidejoch und Lötschenpass. Archäologische Forschungen in den Berner Alpen


Autor(en)
Hafner, Albert
Herausgeber
Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Erschienen
Bern 2015: Erziehungsdirektion des Kantons Bern
Anzahl Seiten
2 Bände. 523 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Mirio Woern

Im Sommer 2003 erlebten Europa und die Schweiz einen der heissesten Sommer aller Zeiten. Im Verlauf dieses Hitzesommers sind die Gletscher in den Schweizer Alpen stark zurückgegangen. Augenfällig wurde das nicht nur am Rückgang der Gletscher, sondern auch an Objekten, die von diesen freigegeben wurden. Eine Wanderin fand auf einer Bergtour in den Berner Alpen beim Schnidejoch auf 2756 m. ü. M. ein Objekt, das der Gletscher hergegeben hatte. Nachforschungen haben ergeben, dass es sich dabei um Teile eines 4800 Jahre alten Bogenfutterals aus Birkenrinde handelt. (Siehe das Fundstück der BEZG 04/13, Sabine Bolliger Schreyer: Im Eis gefunden und auf Eis gelegt – ein jungsteinzeitliches Pfeilbogenfutteral aus dem Hochgebirge.) Diese und weitere spektakuläre Funde sowie die ausgewerteten Ergebnisse der Untersuchungen präsentiert der Archäologische Dienst des Kantons Bern in einer zweibändigen Publikation, die er 2015 herausgegeben hat.

Die globale Klimaerwärmung hat einen direkten Einfluss auf die Archäologie. Seit den sensationellen Funden des Mannes aus dem Eis 1991 in den Ötztaler Alpen oder von Juanita, dem Inkamädchen, in den Anden 1995, haben Gletscherfunde weltweit für Aufsehen gesorgt. Die Funde in Eisfeldern und Gletschern zählen aufgrund der sehr guten Konservierungsbedingungen zu den spektakulärsten Untersuchungsfeldern für Archäologen. Der Archäologische Dienst des Kantons Bern kam zwischen 2004 und 2011 zusammen mit den Walliser Kantonsarchäologen auf über 30 Exkursionen zum Schnidejoch.

Der Archäologische Dienst erforschte die hochalpine Fundstelle nach dem Zufallsfund von 2003 sorgfältig und konnte zahlreiche weitere Objekte aus Leder, Metall und Holz sicherstellen und wissenschaftlich prüfen lassen. Das zu Beginn erwähnte Bogenfutteral aus Birkenrinde zählt zu den aufsehenerregendsten Auffindungen vor Ort, da es sich um die ältesten Eisfunde der Alpen handelt und es zudem in dieser Form ein Unikat darstellt. Insgesamt wurden rund 900 Objekte aus den Eisfeldern geborgen, darunter spektakuläre Funde wie ein Pfeilbogen, vollständig erhaltene Pfeile und Teile einer Schale aus Ulmenholz, die mit ihren 6800 Jahren als ältestes Holzgefäss der Schweiz gelten kann. Daneben wurden auch Bekleidung und Schuhe aus Leder gefunden, wobei besonders die Lederfunde aus dem Neolithikum von Bedeutung sind, bilden sie doch weltweit die grösste Kollektion von prähistorischen Lederobjekten. Neben der guten Erhaltung der Objekte ist auch die grosse Zeitspanne der Funde, die von 4800 v. Chr. bis ins Mittelalter reicht, von Bedeutung. Sie belegen, dass der Passübergang beim Schnidejoch vom heutigen Kanton Bern ins Wallis über 6000 Jahre benutzt wurde. In den beiden Bänden der Publikation wird die Nutzung durch Händler sowie Jäger und Hirten angesprochen.

Neben den Funden auf dem Schnidejoch wurden sowohl die Funde vom Lötschenpass aus der Bronzezeit, die bereits zwischen 1934 und 1944 als erste in den Berner Alpen aus dem Eis befreit wurden, als auch weitere Fundstellen nördlich und südlich der Alpen einbezogen. Die beiden Bände liefern somit einerseits einen umfassenden Einblick in die Arbeit der Archäologen im Grenzgebiet der Berner und Walliser Alpen, andererseits bieten sie auch für Laien einen ersten Überblick auf die Forschung des Teams um Albert Hafner. Gerade Kapitel wie dasjenige über die alpinen Eisfunde ermöglichen auch uns Historikern einen guten Einblick in die Forschung und den Forschungsstand der Berner Archäologen zu gewinnen. Die Beiträge sind zu einem grossen Teil zweisprachig, in den Sprachen Deutsch und Französisch, verfasst und mit vielen Darstellungen versehen, sodass sowohl die Arbeit der Archäologen auf dem Feld ausführlich dargestellt und verständlich erklärt werden kann, als auch zahlreiche Fundstücke aus dem ganzen Alpenbogen grafisch ansprechend präsentiert werden können. Für Historiker besonders interessant ist zudem das Kapitel 14, das die Funktion des Übergangs am Schnidejoch in prähistorischer Zeit analysiert und auf die Nutzung dieses Gebiets durch den Menschen vom Neolithikum bis in das Mittelalter eingeht.

Zitierweise:
Mirio Woern: Rezension zu: Hafner, Albert: Schnidejoch und Lötschenpass: Archäologische Forschungen in den Berner Alpen. Band 1 und 2. Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Archäologischer Dienst des Kantons Bern (Hrsg.). Bern 2015. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 3, 2016, S. 66-67.

Redaktion
Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 3, 2016, S. 66-67.

Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Thema
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit